Reparieren und klönen
Reinhard Müller strahlt übers ganze Gesicht: Endlich funktioniert er wieder, sein kleiner roter Flitzer. "1953 hat mit mir meine Schwester dieses Modellauto zu Weihnachten geschenkt", berichtet der Rentner aus Werl-Westönnen. Im Lauf der Jahre hat dann die Aufzieh-Mechanik ihren Geist aufgegeben. Der stolze US-Straßenkreuzer, laut Bodenblech gefertigt in der "amerikanischen Besatzungszone", war zum Stillstand verdonnert - bis zum Januar 2019. Da öffnete in Westönnen das Reparatur-Café, ein Gemeinschaftsprojekt der Caritas-Konferenz in Westönnen und des Caritasverbandes für den Kreis Soest. Exakt 22 reparaturbedürftige Gegenstände - vom Esszimmerstuhl über Haushaltsgeräte bis eben zum Modellauto - wurden direkt am ersten Tag zur Reparatur abgeben. "80 Prozent der Dinge konnten repariert werden", so die stolze Bilanz von Dieter Holtheuer, der sich um die Warenannahme und -ausgabe kümmert.
Wichtig ist die sorgfältige Nummerierung der Gegenstände, denn in der alten Hofstelle Kenter geht es an den Öffnungstagen zu wie im Taubenschlag. Im Minutentakt kommen Gäste, bringen defekte CD-Spieler, Lampen, Uhren, Drucker, Fahrräder oder Möbel. Rita und Friedel Grümme haben heute einen besonderen weihnachtlichen Schwibbogen dabei, eine Laubsägearbeit, die Kirche und Pfarrhaus des Dorfes darstellt. Leider tut´s die Beleuchtung nicht mehr. Kein Problem für Werner Wanders, dem gelernten Kfz-Schlosser und nun Mitglied im Reparatur-Café-Team. So wie Burkhard Kanthak, ehemaliger Kälteanlagenbauer, der "mal eben" einen Luftentfeuchter wieder Leben einhaucht, weil sich eine Kabelverbindung gelöst hat.
Kniffliger wird es schon bei defekten CD-Spielern und vor allem bei Nähmaschinen. "Inzwischen kooperieren wir schon mit anderen Reparatur-Cafés", sagt Maria Kemper, Leiterin der Caritas-Konferenzen und eine der Initiatorinnen des Projektes. "So hat zum Beispiel das Reparatur-Café im benachbarten Niederense eine Person, die sich mit Nähmaschinen auskennt. Wir wiederum haben Experten für Computer und Handys." Im Gegensatz zu vielen anderen Caritas-Projekten dominieren beim Reparatur-Café die Männer: Elf Herren gehören zum Werkstatt-Team, drei Damen kümmern sich um die Bewirtung der Gäste mit Kaffee und Waffeln. Alles läuft auf Spendenbasis.
Etwa die Hälfte der engagierten Handwerker, Bastler und Tüftler ist bereits im Rentenalter, die andere Hälfte ist noch berufstätig und stößt erst am späten Nachmittag zum Team hinzu. Für Maria Kemper ist es wichtig, dass nicht nur gelernte Handwerker wie Schreiner, Schlosser oder Elektriker mitmachen, sondern möglichst alle Männer integriert werden, die sich engagieren wollen. So gibt es etwa auch einen ehemaligen Postbeamten, der sich mit Fahrrädern auskennt und über das Engagement im Reparatur-Café eine neue Einbindung in die Dorfgemeinschaft gefunden hat.
Die inzwischen rechtlich geschützte Idee eines Repair-Cafés stammt von der Niederländerin Martine Postma. "Uns beeindruckte der Gedanke der Nachhaltigkeit: Gegenstände eben nicht sofort wegzuwerfen, sondern wieder zu reparieren", so Maria Kemper. Als Caritas-Frau weiß sie, dass es beim Reparieren von Dingen nicht nur um ideelle Werte wie Spielzeugautos oder Weihnachtsdeko geht. "Vielen Haushalte fällt es schwer, kaputte Haushaltsgeräte durch neue zu ersetzen." Das Reparaturcafé trägt also auch zur finanziellen Entlastung von Familien bei. In Konkurrenz zu gewerblichen Betrieben möchte man nicht treten. Es geht um Kleinstreparaturen, wobei vieles auch nicht mehr zu reparieren ist und entsorgt werden muss. Froh sind die Ehrenamtlichen, dass der Caritasverband für den Kreis Soest die Trägerschaft übernommen hat und damit auch die versicherungsrechtliche Frage gelöst ist. Die Caritasstiftung des Erzbistums Paderborn hat die Grundausstattung bezuschusst.
Ideal für das Projekt erweist sich die zentral gelegene ehemalige Hofstelle. Besitzer Ulrich Kenter ist froh, dass der Hof seiner Vorfahren sinnvoll genutzt wird und jeden ersten Mittwoch im Monat zu einem quirligen Ort der Begegnung geworden ist. Gesellig geht´s dann zu in den urigen Stuben des alten Bauernhauses. Maria Kemper: "Jeder kann vorbeischauen und in gemütlicher Runde bei Kaffee, Tee, Kuchen oder einer Flasche Bier gegen eine Spende klönen."
Jürgen Sauer