Fremde beherbergen - Gerrit Greiß ist "Onkel" für Flüchtlinge
Die jüdisch-christliche Religion stellt die Fremden unter Gottes Schutz: "Der Herr liebt die Fremden und gibt ihnen Nahrung und Kleidung - auch ihr sollt die Fremden lieben, denn ihr seid Fremde in Ägypten gewesen" (Dt 10,18 f).
Gerrit Greiß, Mitarbeiter der Caritas-Konferenz in Niederbergheim (Warstein) engagiert sich seit 12 Jahren in der CKD und seit vielen Jahren in der Flüchtlingsarbeit.
"Ich habe etwas gegen Ungerechtigkeit, nicht nur bei Flüchtlingen. Ich wünsche mir, dass alle Menschen mehr mit offenen Augen durchs Leben gehen, dann wäre es für ALLE viel einfacher.
Ich habe mich gefragt, wie es mir gehen würde, wenn ich plötzlich in einem fremden Land und mit einer fremden Kultur "klar kommen müsste". Über Menschen, die mir bei den "Fallgruben des täglichen Lebens" zur Seite stehen würden, wäre ich sehr froh.
Ich begann mein Engagement mit Flüchtlingen im Übergangsheim der alten Schule in Niederbergheim. Dort wurden in der ersten Zeit überwiegend männliche Flüchtlinge, also Junggesellen untergebracht, dann auch Familien mit Kindern. Flüchtlinge hatten damals zwar ein "Dach über dem Kopf" und auch einen monatlichen Obolus; aber ansonsten wurden sie nur "verwaltet". Sie hatten in der Anfangszeit keinen Zugang zu Sprachkursen, VHS o.ä. Busfahren war finanziell nicht möglich. Wir begannen mit Sprachkursen, hinzu kamen Begleitungen bei Besuchen zum Ausländeramt, Sozialamt usw. Die Amtssprache in Deutschland ist ja DEUTSCH-und die Flüchtlinge konnten unsere Unterstützung sehr gut gebrauchen. Nach den ersten Negativbescheiden vom BAMF begann die Suche nach Rechtsanwälten. Die Organisation des täglichen Lebens der Flüchtlinge war eine wichtige Aufgabe, ebenfalls die Unterstützung bei der Anerkennung, Wohnungssuche, bei Umzügen, Arbeitssuche und Familienzusammenführungen.
Ich habe in all den Jahren sehr viel Respekt von den Menschen bekommen und es sind einige wirklich schöne Freundschaften geblieben. Mein Spitzname dort ist "Onkel" (den habe ich ursprünglich von einem jungen Mann aus Afghanistan bekommen). Ältere Mitglieder der Familie, so seine Worte, die man respektiert, würden Onkel genannt. Wenn sie in Warstein Herr Greiß sagen, wissen viele nicht, wer gemeint ist. Sagen sie Onkel, weiß es jeder.
Mit Menschen mache ich unterschiedliche Erfahrungen. Natürlich gibt es auch bei den Flüchtlingen "solche und solche" und ich habe auch ziemliche Enttäuschungen erlebt. Aber mein christliches Selbstverständnis lässt mir eigentlich keine andere Wahl als zu helfen. Ich kenne von vielen die Fluchtgeschichten (besser als das BAMF) und ich bin mir mehr als sicher, dass fast kein Mensch freiwillig seine Heimat, seine Familie und sein soziales Umfeld verlässt, gefährliche Fluchtwege in Kauf nimmt, um beispielsweise in Deutschland mit anderen Unbekannten in einem Zimmer zu wohnen und ca. 370€/Monat zu bekommen (in meiner Anfangszeit waren es noch 228€).
Beim Wort "Wirtschaftsflüchtling" bekomme ich Aggressionen. Denn "Wirtschaftsflüchtlinge" gibt es, weil die reichen Länder dieser Welt (also wir die Bewohner) die ärmeren Länder schlichtweg ausbeuten.
Die globale Wirtschaft verdient viel Geld damit, wir als Verbraucher wollen Rohstoffe und Produkte billig einkaufen- die Folgen der Flüchtlingskrise aber bezahlen diese Menschen durch Ertrinkungstod im Mittelmeer, durch unwürdige und erbärmliche Unterbringung in Moria, jetzt Kara Tepe, und in Lipa (BIH). Die EU hat m.E. in der Flüchtlingspolitik schlicht und einfach versagt. Verantwortliche argumentieren gern mit den Schlagworten "christliche und abendländische Werte". Wenn dem so wäre, hätte es Moria nie gegeben.
Mittlerweile hat sich ja glücklicherweise auch die Kirche mehr engagiert, z.B. bei der Rettung im Mittelmeer, und die kritischen Stimmen sind lauter geworden.
Tausende von Ehrenamtlichen, auch aus christlichen Organisationen, haben schon immer enorm geholfen. Aber es fehlen gesellschaftliche und politische Voraussetzungen. Das ist sehr frustrierend.
Deswegen schreibe ich auch an Verantwortliche aus der Landes-, Bundes- und EU-Politik, um immer wieder auf gravierende Missstände aufmerksam zu machen. Nach dem Motto: Steter Tropfen höhlt den Stein.
Folgender Text aus dem Büchlein: "Mit Gottes Wort durch das Jahr 2021" motiviert mich, mich weiterhin für diese Menschen einzusetzen.
"Einmal regnete es lange Zeit nicht. Nur ein kleiner Brunnen hatte noch Wasser. Er rief: Ich kann nicht so viel Wasser geben wie der Monsunregen, aber was ich habe, das gebe ich gern. Tu wie dieser freundliche Brunnen. Der Kleine, das du tun kannst, tue bald (Indische Weisheit)"
Die vielen Ehrenamtlichen sind wie dieser kleine Brunnen.
Damals konnten wir ihn über eine Ausbildungsduldung „retten“ und er hat es trotz großer sprachlicher Schwierigkeiten geschafft … heute hat er seinen Gesellenbrief als Maler/Lackierer und wurde von seinem Lehrbetrieb sofort in Festanstellung übernommen. Der nächste Schritt ist jetzt eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis. Er hat viel dafür getan. Vor der Lehre hat er zwei Jahre im städt. Bauhof jeden Tag gearbeitet für ganz kleines Geld, freiwillig und aus Eigeninitiative A1- und A2-Prüfung gemacht.
Alle paar Wochen bin ich jetzt bei ihm zum Essen eingeladen (kochen kann er auch noch gut) und deswegen wird das „nix“ mit der Diät.
Gerrit Greiß
Mit freundlichem Gruß
Gerrit Greiß
Höhenweg 5
D - 59581 Warstein
Die Ehrenamtlichen der bisherigen Werke der Barmherzigkeit finden Sie hier.