Der Trauerkloß 2.0 oder das Fadenziehen bei der Wunde „Trauer“
Trauer hat viele FacettenUwe Kappel
Farben der Trauer
Meine Trauer ist rot
für die Unruhe in mir.
Meine Trauer ist blau
für die Einsamkeit, die Leere
und alle ungestillten Sehnsüchte.
Meine Trauer ist schwarz
für die Verzweiflung und den Abgrund in meiner Seele.
Meine Trauer ist braun
für das Ringen um Boden unter meinen Füßen.
Meine Trauer ist gelb
für alle Schätze, die mir dennoch zuteil werden,
für das Licht, das immer wieder für mich scheint
und für die Menschen, die die Sonne zu mir bringen.
Meine Trauer ist grün
für die Hoffnung, die Zuversicht
und das Wissen darum, dass es immer weiter geht.
Meine Trauer ist weiß
für alle Schutzengel, die mich an der Hand halten,
mich trösten und Balsam meiner Seele sind
und für die Kraft,
die mich durch diese Zeit trägt,
ohne dass ich ihren Ursprung kenne.
Meine Trauer ist bunt wie ein Kaleidoskop
für alle Gefühle in mir,
die sein wollen und sein dürfen.
Ich lasse sie zu und halte sie aus,
gebe ihnen Raum zum Leben und zur Verwandlung.
"Andrea Böttler"
Wer im Bereich der Trauerarbeit tätig ist, wird wahrscheinlich das Gedicht von Frau A. Böttler über die "Farben der Trauer" kennen. Es geht dabei um den Umgang mit der Trauer, die nicht nur Schwarz im übertragenen Sinne sein muss.
Aufsetzend auf diesen Gedanken des Gedichtes und der Erfahrung mit einem professionell hergestellten bunten sog. "Trauerkloß" machte ich mich auf die Suche nach diesem Kloß - leider ohne Erfolg; die wenigen Spuren denen ich folgte, verliefen sich für mich im Netz. Was tun?
Selbst ist der Mann; erst einmal wurde ein "Phantom" dieses Kloßes gezeichnet. Mit diesem Bild bewaffnet machte ich mich auf die Suche. Der erste Mensch, den ich immer ansprechen kann, ist meine Frau. Sie gab mir einen Tipp : "Mach doch das Teil selbst!"
selbstgemacht und hilfreichUwe Kappel
Da war doch etwas mit "Pompons" oder so…
In einem Bastelladen wurde ich fündig; Wolle; Pompon-Rahmen und noch einige Kleinigkeiten vervollständigten meine Errungenschaften. Und dann wurde gewickelt und ausprobiert, bis ein solcher "Trauerkloß" entstand. Praktisch der "Trauerkloß 2.0".
Das wäre alles nicht besonders interessant für Menschen die Trauernde begleiten und ihnen helfen wollen, aber ein kleiner Zufall öffnete mir die Augen: Natürlich hatte ich den abschließenden Knoten nicht fest genug gemacht und so ließen sich einige Fäden sehr leicht aus dem Kerlchen ziehen.
Natürlich, das war es doch!
Die farbigen Fäden der Trauer aus dem Kloß zu lösen, ist wie beim "Fäden ziehen" nach einer Operation. Es schmerz noch eine ganze Weile, doch es bildet sich eine Narbe, die uns immer an den Verlust erinnern wird. Aber wir werden damit leben.
Ziehen wir die Fäden der Trauer aus dem "Trauerkloß 2.0" behutsam nach und nach heraus, so löst sich der kleine Kerl auf, ähnlich wie - hoffentlich - irgendwann auch die Trauer.
Uwe Kappel, KK-H Unna