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Informierten Caritas-Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit über Traumatisierungen bei Flüchtlingen: Trauma-Therapeutin Elisabeth Montag (links) und Elisabeth Völse (Caritas-Konferenzen im Erzbistum Paderborn). (Foto: cpd / Jonas) |
In seiner
Heimat Gambia wurde er als Oppositioneller gefoltert, viele seiner Freunde
getötet. Nach langer Flucht erreichte Ousman S. Deutschland und erhielt Asyl.
Doch er ist traumatisiert. Blitzhafte Erinnerungen, sogenannte Flashbacks,
überwältigen ihn immer wieder, holen Bedrohungen, Foltererlebnisse und Schreie
seiner Freunde im Gefängnis wieder ins Gedächtnis. Er beschließt sich
umzubringen. Doch als er sich auf seinem Balkon aufhängen will, sieht ihn ein
Nachbar und rettet ihn. Ousman hat Glück: Er bekommt einen der seltenen
Therapieplätze und lernt, mit seinen Traumata umzugehen.
Mit traumatisierten Menschen wie Ousman haben Ehrenamtliche in der
Flüchtlingshilfe häufig zu tun. Das Land NRW schätzt, dass bis zu 40 Prozent
der in Deutschland lebenden Flüchtlinge durch die Ursachen und die Umstände der
Flucht traumatisiert wurden. „Für viele wird der Traum von einem Leben in
Sicherheit zum Trauma“, sagte Elisabeth Völse bei einem Workshop der
Caritas-Konferenzen im Erzbistum Paderborn. Wie zeigen sich Traumata? Wie gehe
ich mit einem Traumatisierten um? Wichtig sei zunächst ein freundlicher und
achtsamer Umgang, erklärte Elisabeth Montag, Psychologin, Trauma-Therapeutin
und Geschäftsführerin des Caritasverbandes für den Kreis Lippe, rund 30
ehrenamtlichen Caritas-Mitarbeitern im Liborianum in Paderborn. „Du bist
sicher“, sei ein wichtiger Satz, wenn Traumatisierte in einem „Freeze“, in
einer Schockstarre, von sprachlosem Entsetzen überwältigt werden. Dieser
Zustand sei in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg als „Kriegszittern“
bekannt gewesen. „Dann haut es eine Sicherung im Gehirn raus. Das ist ein
Schutzschalter, damit wir nicht an einem Schock sterben.“
Kriegserfahrungen, Folter, Kriminalität, Geiselnahme, der plötzliche Verlust
vertrauter Menschen – all dies könne Traumata auslösen. Und zwar auch bei den
Zuhörern, denen ein Flüchtling seine dramatischen Erlebnisse anvertraut.
Manchem Flüchtlingshelfer gehen die gehörten Geschichten tagelang nicht aus dem
Kopf. Wenn der Schrecken überspringt, spreche man von einem „Sekundär-Trauma“,
erklärte Elisabeth Montag. Für die Helfer sei es daher wichtig, innerlich einen
gewissen Abstand zu halten, Rückzugsmöglichkeiten zu nutzen und sich bei zu
großer eigener Belastung mit anderen Helfern abzuwechseln.
Traumata können auch erhebliche rechtliche Probleme nach sich ziehen, erklärte
die Paderborner Rechtsanwältin Judith Herbe. Denn durch traumatische Erlebnisse
werde das Erinnerungsvermögen teilweise drastisch beeinträchtigt. Doch bei der nur
einmalig möglichen Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
(BAMF) sei eine vollständige, widerspruchsfreie, detailreiche und lebendige
Schilderung der Flucht- und Asylgründe notwendig. Das sei für Traumatisierte
jedoch sehr schwierig zu erfüllen, manchmal auch unmöglich, weil Erlebtes
verdrängt wurde. Ehrenamtliche sollten deshalb Traumatisierte zu einer
Beratungsstelle bringen und das Bundesamt informieren. Denn diese hätten einen
Anspruch, von einer Fachkraft angehört zu werden, erklärte Judith Herbe.
Kritisch setzte sie sich mit dem neuen, seit Ende Oktober geltenden Asylrecht
auseinander. „Die schlimmste Veränderung ist die Abschiebung ohne Ankündigung.
Flüchtlinge werden wieder abgeholt.“ Das sei ein Rückfall in vergangen
geglaubte Zeiten von vor 20 Jahren. „Standards, die in der Flüchtlingshilfe
erreicht wurden, werden zurückgedreht.“ Doch: „Die Menschenwürde muss geachtet
werden“, forderte Judith Herbe.