Für das Leben – ob mit oder ohne Demenz
Unna. Mit dem Figurentheater "Verinnerungen" von und mit Sonja Lenneke startete die Aktionswoche. Sie erzählte mit ihren Figuren eine feinfühlige Mutter-Tochter-Geschichte zum Thema Demenz. Schubladen und Fächer in einem Nähkästchen, voll mit Erinnerungen. Darin sollten sie sicher sein. Aber die Zettel und Fotos machen Angst. An manchen Tagen kann man sie nicht mehr entziffern, erkennt die Menschen auf den Bildern kaum. Eine Welt aus Angst, etwas zu vergessen, und aus Angst, den geliebten Menschen durch Demenz zu verlieren.
Mit einer Kombination aus Schauspiel und Puppenspiel griff Lenneke das Thema auf und stellte die zwischenmenschliche Beziehung und deren Veränderung durch die Demenz dar. Dabei berührte sie Tabus und schaffte auch Raum für eine echte Auseinandersetzung mit der Thematik. Die Puppenspielerin tauchte in ihrer Darbietung mit und ohne die Figur der Mutter so sehr in das Thema ein, dass alle Anwesenden das Gefühl hatten, direkt mit eingebunden zu sein.
Autorin Marike Stern beschreibt in ihrem Buch "Demenz - Ein Weg ins Leben", wie ihre große Liebe, ihre Frau Marie, an Demenz erkrankte und wie dadurch ihre Welt ins Wanken geriet. Mit allen Möglichkeiten und aller Kraft versucht Marike Stern, das Leben aufrechtzuerhalten. Als dann schließlich die Diagnose "Frontotemporale Demenz" gestellt wird, ist sie am Ende und lässt los.
Zum ersten Mal in Unna-Massen zu Gast, berührte Marike Stern aus Wuppertal mit ihrem ganz persönlichen Erfahrungsbericht etwa 30 Zuhörer. Die Erfahrungen, die sie seinerzeit gemacht hat, teilt Stern nur zu gerne mit anderen: Der Mensch denkt, dass der Verstand alles ist und dass das Leben ohne ihn nichts wert ist. Aber auch wenn die Demenz bedeutet, dass die Menschen ihren Verstand verlieren, ist dies nicht sofort mit dem Ende gleichzusetzen. Es gibt ein Leben jenseits des Verstandes. Von diesen Momenten erzählt Stern in ihrem ergreifenden Buch.
20 Jahre lebte Marike Stern in einer Lebensgemeinschaft mit Marie, die nach zehn Jahren an Demenz erkrankte. Ein schleichender Prozess begann - die Persönlichkeit und das Wesen veränderten sich immer mehr. Schmerz und Trauer machten sich in Marike Stern breit und 2020 musste sie ihre Marie letztendlich ganz ziehen lassen.
In ihrer Lesung gab sie den Zuhörern einen Einblick in das Leben mit jemandem, der an Demenz erkrankt ist. Sie berichtete von gemeinsamen Aktivitäten wie Singen, Musizieren, Spazieren oder auch Malen. Und wie Marie zuletzt im Altenheim lebte. Ganz intim ließ sie die Zuhörer auch an ihren letzten Momenten mit Marie, die in ihren Armen das Bewusstsein verlor, teilhaben. Auch wenn die Krankheit ihr das Liebste nahm, berichtet sie immer hingebungsvoll
von der gemeinsamen Zeit während der Demenz. Da waren Blicke, die sich trafen und es schien, als ob sich die beiden
Seelen begegnen würden.
Neben dem Figurentheater und der Lesung gab es noch einen Infonachmittag für alle Interessierten, Angehörigen und Freunde von Menschen mit Demenz im Pfarrheim St. Marien Unna-Massen. Betroffene oder Interessierte hatten die Gelegenheit, sich bei den örtlichen Pflegeeinrichtungen beziehungsweise der Apotheke über mögliche Hilfsangebote zu informieren. Die Experten standen für Gespräche zur Verfügung.
Zum Abschluss der Aktionswoche wurde am Sonntag eine Wort-Gottes-Feier unter dem Titel "Mein roter Faden" gefeiert. Anschließend bestand beim Kaffee auf dem Kirchplatz noch die Möglichkeit zum Gesprächsaustausch über das schwere Thema Demenz, das doch sehr viele Menschen etwas angeht. "In Gesprächen, auch bei unseren weiteren Aktionen, erfahren wir immer wieder, dass es viele eine große Überwindung kostet, zu zeigen oder zu sagen, dass ein
Angehöriger davon betroffen ist", so Brigitte Steffens von der Caritas-Konferenz St. Marien Unna-Massen.
Quelle/Copyright: Kirchenmagazin Der Dom, Nr. 20, www.derdom.de